Eine Hommage an die Berge

Es gibt Momente im Leben, die brennen sich tief in das Gedächtnåis und werden zu unvergesslichen Erinnerungen. Im inneren weiß man, dass gerade etwas ganz Besonderes geschehen ist und danach nichts mehr so sein kann, wie es mal war. Bis zu jenem Augenblick hätte ich nie für möglich gehalten, dass mich ein Anblick jemals so sehr faszinieren und meine Gefühlswelt auf den Kopf stellen kann.

Ich war zum ersten Mal in den Bergen und stand am Rande der julischen Alpen in Slowenien plötzlich vor dem gigantischen Gebirgsrücken der Berge Rjavina und Luknja Pec. Buchstäblich erschlagen von diesem Anblick wechselten sich Ehrfurcht, Bewunderung und Angst gleichmäßig ab und eine gewisse magische Anziehung machte sich breit.

Nicht ohne Grund gelten in einigen Kulturen Berge schon seit Jahrhunderten als heilig und der Mensch glaubt, auf ihren Gipfel hausen die Götter. Sie sind die direkte Verbindung zwischen Himmel und Erde. In den Vorstellungen antiker Kulturen nahm der Mensch an, über die Berggipfel hinweg verteile sich auch die Energie auf der Erde. Die nepalesischen Sherpa beispielsweise halten jedes Mal eine Puja-Zeremonie ab, bevor sie einen Berg betreten. Sie bitten die Götter durch Opfergaben um ihren Segen, den Berg sicher besteigen zu dürfen und versuchen zugleich, diese zu besänftigen.

Der Kasbek in Georgien hinter Wolken versteckt. Im Vordergrund seine Gletscherzunge – anklicken für größere Ansicht


Seit jeher üben Berglandschaften eine ureigene Faszination auf den Menschen aus und sind Orte spiritueller Erfahrung. Ich glaube, das kann jeder bestätigen, der schon mal einen Sonnenauf- oder Untergang in den Bergen erlebt hat, ganz egal, woran man glaubt.

Berge wirken außerdem als Wetterscheide und bestimmen das Leben zu ihren Füßen. Aus ihnen entspringen Quellen, die zu Flüssen werden und ganze Landschaften mit Leben füllen. Ihre Größe macht sie zu idealen Orientierungspunkten und wenn sie Feuer in die Luft spucken, Sturzfluten verursachen oder Lawinen aus ihrem frostigen Körper schütteln, werden bis heute erneut Opfergaben dargebracht, um die Götter wieder zu besänftigen. Starke Winde, extreme Temperaturen und eine surreale Eislandschaft erwecken den Anschein, als hätte man die Pforte zu einer anderen Welt betreten.

Der Berg Masherbrum und sein Gletscher – Karakorum Gebirge – Pakistan


Genau das ist es, was auch diese Faszination ausmacht und mich seit jenem Tag nicht mehr loslässt. In der modernen Welt ist der Mensch oftmals nur in kurzen Momenten wirklich lebendig, bevor die Routine und der Alltag einen zurückholen. Umso schwerer ist es, sich eine Vorstellung davon zu machen, mit welchen uralten Kräften die Natur spielt, wenn man sie noch nie zuvor am eigenen Leib gespürt hat. Dieses einfach gehaltene Leben lässt uns zu unseren Ursprüngen zurückkehren und zeigt, wie schnell es in der Natur um das nackte Überleben geht. Hier oben ist man vollständig in der Gegenwart und gleichzeitig nur ein Staubkörnchen, das mit einem Atemzug für immer in die Ewigkeit verbannt werden kann. Nie zuvor habe ich mich so lebendig und gleichzeitig so demütig gefühlt!

Um zu verstehen, was ich meine, muss man allerdings gar nicht so hoch hinaus und sich in unwegsame Gebiete durchschlagen. Es reicht, beim nächsten Regenschauer nicht gleich reflexartig die Flucht zu ergreifen, sondern einfach mal stehenzubleiben, die Augen zu schließen und emporzublicken, so unangenehm es in den ersten Sekunden auch sein mag. Wenn du dich darauf einlässt und den kalten Regen auf der Haut spürst, wie er deine Wangen herunterläuft und einen eisigen Schauer auslöst. Wenn du fühlst, wie die Regentropfen auf dein Gesicht prasseln, dann merkst du so richtig, was es heißt, lebendig zu sein. Du spürst dich selbst!

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