Stühle an der Kette

Ist Fotografie nur ein Handwerk?

Bzw. ab wann ist Fotografie eigentlich Kunst?  – Ein ewiges Streitthema…

Angesichts der Tatsache, das Fotografie heutzutage allgegenwärtig ist, dürfen wir es uns auch erlauben, einen kritischen Blick auf sie zu werfen. Dabei meine ich gar nicht unbedingt, ob das Bild stark bearbeitet oder mit einem speziellen Filter versehen wurde. Viel mehr möchte ich in diesem Beitrag einen gedanklichen Blick auf den Inhalt der Fotos werfen. Ist das, was ich gerade sehe, ein interessantes und überlegtes Werk, informativ, ein Ausdruck von Selbstdarstellung, gar Werbung … oder möchte jemand einfach nur einen schönen Augenblick teilen?

Zunächst wirkt dieser Ansatz erst mal arrogant, da nicht gleich jedes hochgeladene Bild von sich behauptet, ein spitzen Foto zu sein. Allerdings muss es das auch nicht, sobald es die endlosen Weiten des Internets erblickt. Es geschieht nämlich ganz von selbst, dass wir die vielen Bilder, die wir täglich sehen, auch irgendwie einordnen und bewerten, um sie zu verstehen. Das ist ein natürlicher Prozess. Wer seine Fotos also im Internet präsentiert, muss sich vor Augen führen, dass sie unter Umständen auch gesehen werden und eine gewisse Wirkung erzielen. – No offense!

Kleiner Gedanke am Rande

Der Kurator der Biennale für aktuelle Fotografie 2020, David Campani sagte mal:
„All Art is Photography“. Ich finde diese Aussage sehr spannend, da im Grund alles, was wir über Kunst und Zeitgeschichte kennen, über Fotografien überliefert wird. Beispielsweise wüssten ohne ein Foto der Mona Lisa nur diejenigen, wie sie aussieht, die sich in das Louvre begeben und im nahezu endlosen Getümmel eingereiht haben.

Inzwischen beschäftigen sich Ausstellungen in den verschiedensten Museen der Welt mit der Fotografie und bieten diesem Feld eine breite Bühne. Dabei finden unter anderem auch Themen wie die Reportage, Porträt oder Landschaftsfotografie ihre Aufmerksamkeit. Diese Fotos sind durchaus als künstlerisches Werk zu betrachten, ähnlich wie die Akt-Fotografie oder ein Stillleben. Sie können aber auch bloß ein darstellendes Foto sein, oder sogar ohne jegliche Intention.

Nicht nur das Foto ist relevant, auch der Fotograf dahinter

Genau hier stoßen wir an den Punkt, dass Fotografie eben nicht gleich Fotografie ist. Auf die Frage, ab wann eine fotografische Aufnahme als künstlerisches Werk zählt, gibt es keine verbindliche Antwort. Grundlage des Schaffens ist generell erst mal das Handwerk an sich. Der Verlauf zwischen den Genres ist genauso fließend wie in der Kunstdefinition und die Wahrnehmung künstlerischen Schaffens wird selbst in westlichen Kulturen unterschiedlich interpretiert.

Das Wesen der Fotografie ist zunächst der Versuch, die Realität möglichst getreu abzubilden. Man kann hier auch von rationaler Fotografie sprechen. Wie wir alle wissen, ist die abgebildete Realität jedoch subjektiv, da wir alle unterschiedliche Interpretationen zu einem Bild haben. Aus diesem Grund kommt es auch immer auf den Menschen hinter der Kamera an. Sieht der Fotograf sich selber als Künstler, oder ist er ein Dokumentarist? Möchte er seine Werke unverfälscht und ehrlich darstellen, inszenieren oder vielleicht sogar bis zur Unkenntlichkeit abstrahieren? Wichtig ist in jedem Fall ein kreativer Schaffensprozess und eine Intention.

Nur weil ein Fotograf einen Meisterbrief besitzt, ist er nicht gleich auch ein Kunstschaffender, dennoch kann er künstlerisch tätig sein. Ähnlich verhält es sich mit den Designern. Gerne werden beide Disziplinen voneinander getrennt, dabei widersprechen sich Kunst und Design nicht unbedingt. Viel mehr ergänzen sie sich gegenseitig. Ein guter Designer ist gleichzeitig auch ein Künstler und ein Künstler bedient öfter mal ein Designelement, als ihm lieb ist. Allerdings lässt sich daraus nicht ableiten, was nun das Wesen künstlerischer Fotografie ist. Hier kommen wir nämlich zum eigentlichen Unterschied. Design ist immer zweckmäßig und geplant, Kunst hingegen frei und ungebunden. Sie ist nur sich selbst verpflichtet.

Kunstfotografie oder Foto-Kunst?

Zudem wird noch mal zwischen der Kunstfotografie und der Foto-Kunst unterschieden. So ist die Kunstfotografie keine künstlerische Neuerschaffung, sondern lediglich die fotografische Reproduktion eines Werkes.
Die Foto-Kunst hingegen wird zuweilen auch als ‚Fine Art‘ Fotografie bezeichnet und bedeutet übersetzt „Schöne Künste„. Ihr Charakter ist ein klarer schöpferischer Prozess und die Herausgabe der Werke unter limitierter Auflage, um einen gewissen Wert zu vermitteln. So ist die Fine Art Fotografie letzten Endes auch nur ein Genre innerhalb der Fotografie.


Das Wesen der Foto-Kunst

Generell ist eine künstlerische Fotografie oder auch Foto-Kunst ein individueller Ausdruck des Fotografen, der das Werk erstellt hat. Nachdem die Fotografie ihre anfangs besetzte Position in der Wissenschaft verlassen hat, gilt sie seit Anfang des 19. Jahrhunderts als anerkannte Kunstform. Eine Zeit lang hatten die Maler jener Zeit die Befürchtung, sie könnten sogar durch die Fotografie in die Bedeutungslosigkeit abrutschen und gänzlich ersetzt werden. Dies lag unter anderem daran, dass Fotos so inszeniert und bearbeitet wurden, dass sie der Malerei ähnlich waren. Die künstlerische Motivation war die gleiche, nur das Verfahren ein anderes.

Bei näherer Betrachtung kommt es darauf an, ob der Fotograf über eine gewisse künstlerische Ader verfügt und versucht, diese in seine Werke einfließen zu lassen. Dadurch erhalten Fotos ganz von selbst eine tiefere Bedeutung und vermögen es gar, ihre eigene Geschichte zu erzählen. Zum anderen ist es natürlich entscheidend, ob das Foto einen Betrachter überhaupt berührt. Die Wesenszüge der Kunst sind nämlich Werte, Visionen und vor allem Emotionen zu transportieren.

Und was ist jetzt keine Kunst?

Ich glaube, ohne jemanden dabei auf die Füße treten zu wollen, dass die meisten Schnappschüsse und privaten Momentaufnahmen zwar einen hohen emotionalen Wert besitzen, aber keinen künstlerischen. Ähnlich verhält es sich mit der Smartphone-Fotografie. Ich möchte gar nicht abstreiten, dass es da auch tolle Projekte gibt, allerdings fehlen im Allgemeinen die einzelnen Parameter, welche die Fotografie eigentlich auszeichnen. Das hat auch ganz allgemein etwas mit der Würdigung künstlerischer Arbeit zu tun. Auch vermeiden Fotojournalisten und soziale Fotografen, ihre Arbeit als Kunst zu betrachten. Diese Werke – oft in schwarz-weiß fotografiert, dienen zur Dokumentation der Zeitgeschichte und haben wiederum ihren völlig eigenen Anspruch.

Schlussendlich ist Fotografie sowohl Kunst als auch Handwerk. Es kommt immer ganz auf die Person an und was sie aus ihren Fotos macht. Es gibt einfach Bereiche, in denen das bloße Handwerk gefragt ist, wie beispielsweise bei einem Ausweisfoto und wiederum gibt es die unterschiedlichsten Zweige innerhalb der Kunst-Fotografie. Manchmal ist es völlig egal, ob die Schärfe perfekt sitzt oder der Sensor vor lauter Megapixel aus allen Nähten platzt, solange das Bild wirkt und etwas bei der betrachtenden Person auslöst. Die Fotografie ist nicht nur divers aufgestellt, sie bietet auch für jeden Geschmack eine eigene Nische und dafür sollten wir ihr dankbar sein.

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