Was zeichnet ein gutes Foto aus?

Umso tiefer ich in die Welt der Fotografie eintauche, desto öfter frage ich mich ganz unweigerlich, woran man eigentlich ein gutes Foto erkennt? Die Antwort darauf ist gar nicht so einfach und besitzt ein hohes Streitpotenzial, was vermutlich einige von euch in diversen Foren, Facebook-Gruppen oder auch im direkten Gespräch bereits festgestellt haben.

Da Geschmäcker bekanntlich verschieden sind, hat auch jeder ein anderes Empfinden, was eine gelungene Bildkomposition, Farbwahl oder Ästhetik ausmacht. Gleichzeitig ist es nicht von der Hand zu weisen, dass einige Fotografien einfach langweilig aussehen und keinen Reiz versprühen, während andere Fotos einen direkt umhauen. Scheinbar gibt es tatsächlich irgendeine Geheimformel, um dessen Inhalt sich die Gemüter seit Jahrzehnten schon erhitzen. Was ist es also, dass ein Foto auf den ersten Blick zu etwas Besonderem macht und die gewünschte Aufmerksamkeit auf sich zieht?

Eine scheinbar polarisierende Frage

Bevor ich zum ersten Mal eine Kamera in der Hand hielt, kannte ich bereits das Mantra – nicht die Kamera macht das Foto, sondern der Fotograf. Natürlich steckt eine gesunde Portion Wahrheit dahinter, dennoch ist diese Aussage nur bedingt richtig. Es gibt recht häufig Situationen, in denen eine APS-C Kamera mit einfachem Kit-Objektiv schlichtweg nicht lichtstark bzw. schnell genug agieren kann. Greift man dann auf einen höheren ISO-Wert zurück, resultiert das dementsprechend in Bildrauschen. Eine gewisse Körnung ist hübsch und erinnert an damalige Fotografien fernab der digitalen Welt, allerdings tröstet es nicht darüber hinweg, dass das Ergebnis eine unbefriedigende Abbildungsqualität besitzt.

Technisch hochwertiges Equipment bietet dem Fotografen schlichtweg einen größeren Spielraum. Moderne Vollformat-Sensoren können teilweise selbst bei einem ISO von 12.800 noch relativ rauschfrei abbilden. Das hat den Vorteil, dass sich der Fotograf wiederum mehr auf das eigentliche Bild konzentriert. Für den Fotografen ist es ein Segen zu wissen, dass seine Kamera präzise wie ein Skalpell funktioniert und einen gewissen Toleranzbereich in schwierigen Momenten mitbringt. Seine Kamera zu kennen und vor allem zu beherrschen ist eingangs wohl der wichtigste Aspekt, um auch bewusst ein gelungenes Foto zu schießen.

Hat man seine Kamera einigermaßen im Griff und die ersten Fotosessions hinter sich gebracht, fängt es jedoch an, kompliziert zu werden. Man fragt online andere Fotografen nach ihren Meinungen und Tipps, nichts ahnend, was für ein Shitstorm gleich auf einen zukommt. Die Ansichten driften stark auseinander und entladen sich in hitzigen Debatten über das Für und Wider teurer Technik, der gewählten Bildkomposition, Location oder was auch immer. Das kann teilweise ganz schön persönlich werden und hat schon zum Rauswurf in der ein oder anderen Community geführt. Zurück bleibt ein verunsicherter und eingeschüchterter Fotograf mit noch mehr offenen Fragen. Solch ein Fotografie-Fundamentalismus ist keine Seltenheit. Woran sollte man sich also orientieren, wenn man sich weiterentwickeln möchte? Die Antwort liegt meiner Meinung nach in der Kunst- und Fotografiegeschichte.

Zurück zum Ursprung

So wie es in der bildenden Kunst oder im Design bestimmte gestalterische Grundregeln gibt, findet man diese auch in der Fotografie. Damit eine Bildkomposition stimmig wirkt, bedient man sich der sogenannten Drittel-Regel, dem goldenen Schnitt bzw. einer bestimmten Perspektive oder Linienführung. Hinzu kommt die gestalterische Wirkung von Farbe und Licht. Dies hat ganz einfach den Hintergrund, sich die Psychologie des Menschen zunutze zu machen, indem der Fokus des Betrachters bewusst gelenkt wird. Der Künstler allein bestimmt, ob ein Werk Harmonie oder Unruhe ausstrahlt.

Geschichtlich betrachtet, war die Kunst oftmals nicht weit von der Wissenschaft entfernt. Beide Disziplinen besitzen die Wesenszüge, Dinge zu beobachten, ausgiebig zu studieren, zu experimentieren und zu analysieren. Anfangs war die Fotografie selbst reine Wissenschaft, welche sich im Laufe der Zeit jedoch zu einer eigenen Kunstform etablierte. Eine Zeit lang hatten Maler sogar die Befürchtung, die Fotografie könne sie ablösen. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass die grundlegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse aus der Fotografie mit den Erkenntnissen über die Wirkung von Farbe, Form und Licht in der Malerei in Zusammenhang gebracht wurden.
Außerdem diente die Kunst der Darstellung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Gegebenheiten, wie beispielsweise von Architektur oder der Anatomie des Menschen. Einer der bekanntesten Vertreter war der Universalgelehrte Leonardo da Vinci, welcher seine wissenschaftlichen Arbeiten gleichzeitig in künstlerischer Form skizziert hat. Über Jahrhunderte erforschten und verfeinerten die Künstler und Gelehrten ihrer jeweiligen Epoche ihre Erkenntnisse.

Viele dieser Grundlagen haben dazu geführt, dass sich die bildende Kunst bis heute zu dem entwickeln konnte, was sie geworden ist. Paradigmen wurden aufgestellt und gebrochen, was meistens eine Kontroverse nach sich zog und den Spielraum der Akteure expandieren ließ. Dazu zählt auch die Fotografie. Um mit diesen Grundlagen zu brechen, muss man sie allerdings erst einmal verstanden haben und beherrschen. Es ist also unumstritten, dass gewisse Regeln auch zu einer harmonischeren Bildkomposition führen und den Betrachter auf Anhieb fesseln können.

Wie gelingt mir denn nun ein gutes Foto? 

Fotografie ist ein ständiges Abwägen aller zur Verfügung stehenden Mittel und Möglichkeiten. Zudem besitzt sie die einmalige Charakteristik, eine bestimmte Tiefenschärfe bzw. Unschärfe zu besitzen. Dieses gestalterische Grundelement zeichnet die Fotografie aus und unterscheidet sie deutlich von anderen Darstellungsformen. Durch bewusstes Steuern der Schärfeebene entsteht räumliche Tiefe und eine gewisse Inszenierung. Indem der Fokus gezielt auf einen Punkt gerichtet wird, erhält das Bild eine Aussage und das visuelle Storytelling beginnt.

Erst durch viel Erfahrung und Routine, einem geschulten Blick sowie sicheren technischen Umgang erreicht man auch im Bild das besondere Etwas. Selbstverständlich gehört dazu auch immer eine Portion Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. An der Stelle müssen wir feststellen, dass Fotografie immer noch ein Handwerk ist und deutlich mehr dazu gehört als eine gute Handykamera oder eine fancy Ausrüstung, die verwendete Technik jedoch nicht zu unterschätzen ist.

Wenn man sich vergegenwärtigt, dass sämtliche Grundlagen und Stilmittel lediglich eine große Palette an Werkzeugen und Möglichkeiten darstellen, kommt es letzten Endes darauf an, sich dieser bewusst zu bedienen und sie geschickt zu kombinieren. Bilder wirken interessant, wenn sie uns eine Geschichte erzählen. Das erreichen sie wiederum, indem eine besondere Lichtstimmung, Bildaussage bzw. Inszenierung und ein passender Farbstil das Werk abrunden. Wichtig ist, dass Emotionen erzeugt werden, über die der Betrachter eine eigene Verbindung aufbauen kann und sich somit in das Werk hineinfühlt. Daher ist es ratsam zu versuchen, im Laufe der Zeit seine eigene Handschrift zu entwickeln. Die Verwendung immer gleicher Presets oder austauschen des Himmels ist dabei kein Qualitätsmerkmal. Viel mehr kann es helfen, sich Vorbilder zu suchen und zu analysieren, wie sie an ihre Werke herangehen.

Im Grunde werden wir die Frage, was ein gutes Foto ausmacht, niemals konkret beantworten können, weil einfach jeder Mensch etwas anderes mit einem Foto verbindet. Der gestalterische Prozess, sich inspirieren zu lassen, auszuprobieren und ein Gefühl zu entwickeln, in welchem Bereich der Fotografie man sich am wohlsten fühlt, ist letzten Endes der beste Weg, um Selbstvertrauen aufzubauen und sich weiterzuentwickeln. Jeder Fotograf sollte sich daher grundlegend die Frage stellen: „Warum fotografiere ich und was will ich damit erzählen?“. Es gibt eine Handvoll Faktoren, die bei einer Bewertung berücksichtigt werden, wie beispielsweise die Bildkomposition. Die Größe des Bildausschnittes und Anordnung des Inhaltes sind die Grundlagen für die Bildaussage. Außerdem ist es immer interessant, wo der Fokus gesetzt wurde und wie groß die Schärfentiefe ist. Zu guter Letzt ist die richtige Lichtstimmung und Farbauswahl ein entscheidender Punkt, um Charakter und Aussage des Bildes zu unterstützen. Ein gewisser Anspruch darf natürlich auch nicht fehlen, der Rest ist Geschmackssache!

Mich würde interessieren, wie Ihr das seht? Habt Ihr eine andere Ansicht oder Herangehensweise?

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